Milch von glücklichen Kühen?! – Die Milchwirtschaft zwischen Tierwohl, Wirtschaftlichkeit, Verbraucherwünschen und Ernährungssicherung“

Veröffentlicht am: 7. Juni 2022|Kategorien: Events, Top News|

Am 01. Juni wird traditionell der Internationale Tag der Milch gefeiert.
– Podiumsdiskussion zum Weltmilchtag

Dies nahm die Milchwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz-Saar e.V. (Milag) zum Anlass, die milcherzeugende Landwirtschaft, Molkereien, Handel, Verbraucher und Politik auf dem Kauerhof der Familie Berg in Argenthal zusammenzubringen, um die Themen Tierwohl, Wirtschaftlichkeit, Verbraucherwünsche und Ernährungssicherung in der Milchwirtschaft zu diskutieren.

Der Moderator und Journalist Thomas Vatheuer freute sich über den „rheinland-pfälzischsaarländischen Milchgipfel“, doch bevor es in die Diskussion ging, hielt M. Sc. agrar. Kathrin Hammes (Gesundheitsmonitoring Rind, Landeskontrollverband Rheinland-Pfalz-Saar e.V.) einen Impulsvortrag zur Einstimmung auf das Thema. Dabei stellte sie heraus, dass der Begriff Tierwohl nicht definiert ist und es wissenschaftlich keine Daten dazu gibt, ob Maßnahmen wie z.B. Kuhbürsten oder Weidegang tatsächlich dazu führen, dass sich eine Kuh wohler fühlt. Dazu kommt, dass ein Standardverbraucher andere Wünsche an die Tierhaltung hat als die Branche (und vielleicht auch als die Kuh selbst). „Die Wirtschaftlichkeit auf den Betrieben muss ebenfalls erhalten bleiben. Bei gerade einmal 10% des Nettoeinkommens, dass Verbraucher durchschnittlich bereit sind für Lebensmittel auszugeben, sind nicht alle gewünschten Forderungen umzusetzen.“, so Hammes. „Momentan besteht noch kein Lebensmittelengpass, aber bei 30% Weizen, der aus der Ukraine und Russland kommt, kann es demnächst anders aussehen.“

Dem stimmt Michael Horper (Milag-Vorsitzender) zu: „Erst mussten eine Pandemie, die Flut und ein Krieg kommen, damit eine Zeitenwende eingeläutet wird und die Menschen Lebensmittel und damit auch deren Produzenten besser wertschätzen können. Klima- und Naturschutz, Wirtschaftlichkeit, Tierwohl, Ernährungssicherheit und vieles mehr kann man nicht getrennt voneinander betrachten. Hoffen wir, dass trotz der vielen Anforderungen die Milchproduktion in Rheinland-Pfalz und dem Saarland erhalten bleibt.“

Andy Becht (Staatssekretär Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau) macht deutlich, dass die Begriffe Nachhaltigkeit und Tierwohl nicht klar definiert sind: „Die Politik probiert zu ordnen, aber wir sind nicht die ersten Ansprechpartner. Es müssen gemeinsame Wege gefunden werden. Häufig wird die Bürokratie kritisiert und ich wäre auch sehr dafür, mehr zu Entbürokratisieren, aber so einfach ist das leider nicht. Neben dem Ordnungsrecht gibt es noch das Förderrecht und die Marktwirtschaft mit ihrem Zivilrecht und den Handelsbeziehungen. Gerade beim Förderrecht geht es um EU-Gelder, bei denen nachgewiesen werden muss, wohin sie fließen.“

Georg Wilsmann (stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates Hochwald Milch eG) nimmt die Werbung ins Visier: „Verbraucher haben eine gewisse Vorstellung aus früherer Zeit, wissen aber nicht, wie ein Betrieb heutzutage aussieht. Früher war auch nicht alles besser! Manchmal ganz im Gegenteil. Wir haben in Deutschland gut ausgebildete Menschen, also Experten vor Ort – die Landwirte wissen, was sie tun. Man sollte ihnen vertrauen.“ Alicia Weber (Junglandwirtin) stimmt ihm zu: „ In allen Betrieben steht das Tierwohl im Mittelpunkt. Ohne das gibt es keine Leistung in Form von Milch von den Kühen – und dann könnte niemand kostendeckend arbeiten. Außerdem möchten wir Landwirte ja, dass es den Tieren gut geht. Keiner möchte seine Kühe leiden sehen.“

Dr. Thomas Scherer (Hauptgeschäftsführer Handelsverband Mittelrhein-Rheinhessen-Pfalz) brachte das Thema Handel zur Sprache: „Wir im Lebensmitteleinzelhandel leben von Kunden und ihrer Nachfrage. Deren Forderungen geben wir weiter an die Molkereien. Der Frage, was Tierwohl tatsächlich kosten darf, können wir dabei aufgrund des Kartellrechtes gar nicht nachgehen. Wir haben außerdem festgestellt, dass bei allen Forderungen am Ende doch der Preis ausschlaggebend für die Kaufentscheidung ist.“

Stefan Fiedler (Vertreter der Region Eifel für Arla Foods Deutschland GmbH) erläutert, dass die Molkereien vor der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine häufig vom Handel getrieben wurden, denn der Rohstoff Milch war in genügender Menge vorhanden: „Das ändert sich vielleicht bald. Viele Höfe haben aufgehört, da einfach keine Planungssicherheit bestand. Gesetzte Standards von heute waren morgen schon nicht mehr aktuell. Die Molkerei Arla kann aber mitgehen beim Thema Tierwohl und ist gut aufgestellt für die Zukunft.“

Dass die Milch auch immer in Konkurrenz zu Ersatzprodukten steht, brachte Barbara Schroeter (Verbraucherzentrale Saarland) zur Sprache: „Ersatzprodukte sind häufig teurer im Verkauf, aber günstiger in der Produktion. Die Zusammensetzung ist nicht besser, gerade Calcium und Vitamine werden zugesetzt, die in der Milch natürlicherweise vorhanden sind. Der Verbraucher unterliegt da häufig einem Trugschluss. Trotzdem darf man nicht vergessen: Die gesamtgesellschaftliche Forderung nach mehr Tierwohl darf weder beim Verbraucher noch beim  Produzenten abgelegt werden.

Mehr Förderungen sind notwendig.“ Joachim Berg (Landwirt) merkt an, dass ein Großteil der Bevölkerung Fleisch essen und Milch trinken mag: „Dann gehört die Tierhaltung mit Melken und Schlachten einfach mit dazu. Trotzdem sorgen auch wir hier auf dem Kauerhof dafür, dass es den Tieren möglichst gut geht. Das danken sie mit einer guten Leistung. Der Umgang mit den Tieren ist für uns Landwirte auch kein Problem. Die vielen Auflagen und Regelungen erschweren die Arbeit. Das muss auch erst einmal erwirtschaftet werden. Bei einem geringen Preis am Ende des Tages lohnt es vielleicht nicht mehr und die Produktion wandert ab ins Ausland.“

Allen Teilnehmenden der Diskussion war am Ende des Vormittags klar, dass es wichtig ist, ein reelles Bild der Landwirtschaft nach außen zu tragen – und dabei sind alle Akteure gefragt. Die geleistete Arbeit auf allen Stufen ist gut und dies muss auch realitätsnah den Verbrauchern gezeigt werden, damit sie vielleicht in Zukunft auch mehr in Lebensmittel investieren. Michael Horper ist sich sicher: „Die Trendumkehr kommt. Auch in Zukunft werden Milchprodukte auf dem Speiseplan der Deutschen stehen – produziert bei uns in den Mittelgebirgsregionen unter gewohnt hohen Standards.“

 

Über die Milag:
Die Milchwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz-Saar e.V. (kurz: Milag) ist eine Vereinigung laut Milch- und Fettgesetz, die die Interessen ihrer zahlreichen Mitglieder vertritt. Dazu gehören neben den bäuerlichen Vereinigungen, dem Genossenschaftsverband, dem Landeskontrollverband, dem Fachverband Westdeutscher Molkereifachleute und der Landwirtschaftskammer auch die Verbraucherzentralen und der Handelsverband Mittelrhein-Rheinhessen-Pfalz (LEH). Hauptaufgabe der Milag ist die Öffentlichkeitsarbeit und Verbraucherberatung zu Milch und Milchprodukten und die Unterstützung der Milchbauern in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Die Umsetzung erfolgt durch Vorträge, Projekte und gezielte Aktionen und richtet sich an Endverbraucher, Schulen und Kitas sowie an Multiplikatoren. Außerdem stellt die Milag über ihre Social Media-Kanäle Verbrauchern Milchinformationen mit Hilfe von Fotos, Videos und Sachinformationen zur Verfügung.

 

Hier finden Sie dazu einen Beitrag des SWR-Fernsehen:

https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE2NzExMTU

Milch verliert an Beliebtheit – Landesschau Rheinland-Pfalz – SWR Fernsehen

 

Quelle:

Milchwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft
Rheinland-Pfalz-Saar e.V.
Riegelgrube 15-17
55543 Bad Kreuznach

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