Neue BAG-Entscheidung: Kündigung wegen Äußerung in privater Chatgruppe

Veröffentlicht am: 28. August 2023|Kategorien: Recht, Top News, Urteile/Rechtsprechung|

Ein Arbeitnehmer hatte sich in einer Whatsapp-Gruppe, die aus sieben Mitgliedern bestand, in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über seine Vorgesetzten und andere Kollegen geäußert. Der Arbeitgeber kann dies zum Anlass einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nehmen. Nur in Ausnahmefällen kann sich der Arbeitgeber dann auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.

Im vorliegenden Fall war der bei der Beklagten beschäftigte Kläger seit 2014 in einer Whatsapp-Gruppe mit fünf weiteren Arbeitskollegen, im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Mitglied aufgenommen. Neben der beruflichen Zusammenarbeit, verband alle Gruppenmitglieder außerdem eine langjährige Freundschaft, zwei der sieben waren auch miteinander verwandt.

Inhalt der Gruppenkonversation waren neben rein privaten Themen auch beleidigende und menschenverachtende Äußerungen des Klägers und anderer Gruppenmitglieder über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.

In beiden Vorinstanzen hatte der Kläger zunächst Erfolg mit der von ihm erhobenen Kündigungsschutzklage.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Das Berufungsgericht hatte zunächst eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers über den Inhalt der Nachrichten der privaten Chatgruppe angenommen und damit das Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes verneint.

„Eine Vertraulichkeitserwartung auf Seiten des Klägers ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben“, so der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichtes.

Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Der Kläger wird nun Gelegenheit erhalten darzulegen, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 19. Dezember 2022 – 15 Sa 284/22 –

Quelle: https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/kuendigung-wegen-aeusserungen-in-einer-chatgruppe/

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